Der 5. Dezember 2011 ist ein bedeutsames Datum für die Leiharbeit in Deutschland. Bis zu diesem Tage muss die EU-Richtlinie zur Leiharbeit 2008/104/EG in nationales Recht umgesetzt sein. Dem deutschen Gesetzgeber – so äußern namhafte Kritiker – sei dies nicht hinreichend gelungen. Die Personalservice-Gesellschaften der großen Gesundheitskonzerne geraten ins Visier.
Mindestschutz für Leiharbeitnehmer
Die RL-Leiharbeit hat den nationalen Gesetzgebern vorgeschrieben, einen bestimmten Mindestschutz für die Leiharbeitnehmer sicher zu stellen. Dieser müsste sich in Deutschland aus dem AÜG, aber auch aus anderen Regelungen (z. B. dem Teilzeit- und Befristungsgesetz) ergeben. Wo dieses nicht gelingt, müssen die Arbeitsgerichte – notfalls unter Zuhilfenahme des Europäischen Gerichtshofs – korrigierend eingreifen.
Strenge Vorgagen durch die Richtlinie
Die Vorgaben der RL-Leiharbeit sind allgemein gehalten, aber dennoch unmissverständlich. Zu den Vorschriften, auf die sich Leiharbeitnehmer gegenüber den deutschen Arbeitsgerichten berufen können, gehören
- Achtung des Gesamtschutzes
Gemäß Art 5 Abs. 3 RL-Leiharbeit ist eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz nur unter „Achtung des Gesamtschutzes“ (angemessenes Schutzniveau) erlaubt.
- Das Missbrauchsverbot gemäß Art. 5 Abs. 5 RL-Leiharbeit
Gemäß Art 5 Abs. 5 RL-Leiharbeit sind die Arbeitsgerichte verpflichtet, ein besonderes Augenmerk auf missbräuchliche Fallgestaltungen zu legen. Selbst wenn Verträge der Form nach in Ordnung erscheinen, können sie wegen „Gestaltungsmissbrauchs“ unwirksam sein. Die Gerichte werden die Grenze zwischen Rechtsmissbrauch und „noch erlaubter Tatbestandsumgehung“ zu ziehen haben.
- Wirksame, angemessene und abschreckende Sanktion
Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, gegen Bestimmungen des AÜG oder gegen verbindliche Vorgaben der RL-Leiharbeit müssen nach Art 10 Abs. 2 RL-Leiharbeit, mit einer „wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktion“ belegt werden.
- Gesundheitskonzerne geraten ins Visier
Besonders im Visier der Arbeitnehmer und der Betriebsräte stehen die Personalservice-Gesellschaften des Gesundheitswesens. Zahlreiche Kliniken der großen Gesundheitskonzerne stellen kaum noch eigene Arbeitnehmer ein, sondern rekrutieren den Großteil ihres neuen Personals über konzerneigene Leiharbeitsunternehmen.
- Klagewelle bei Asklepios & Co?
Branchenexperten sehen eine Klagewelle auf Asklepios & Co zukommen. Werden Arbeitnehmer ausschließlich über konzerneigene Personalservicegesellschaften eingestellt und sodann über Jahre und unbefristet in der Klinik beschäfigt, sei darin ein Missbrauch zu sehen. Mögliche Folgen: Der Arbeitnehmer kann die direkte Beschäftigung in der Klinik einklagen, zumindest aber eine Bezahlung nach den Tarifen im Gesundheitswesen (Equal Pay) verlangen.
- Strohmann-Konstruktionen auf dem Prüfstand
Rechtsanwalt Holger Thieß, Sprecher des Anwaltbundes, hat bereits erste Anfragen auf dem Tisch und ist zuversichtlich:
„Gerade wo die Personalservice-Gesellschaft praktisch nur auf dem Papier steht und vor Ort gar keine Betriebsorganisation hat, ist von Scheinleihe und missbräuchlicher Dauerleihe auszugehen. Laut Richtlinie müssen diese Strohmann-Konstruktionen mit einer Sanktion belegt werden.“
Die ersten Klagen werden bestimmt nicht lange auf sich warten lassen.