Zwei Anmerkungen zum CGZP-Urteil vom 13.03.2013 – 5 AZR 954/11

Im  Rahmen der CGZP-Verfahren  hat das BAG-Urteil vom 13. 3. 2013 – 5 AZR 954/11 entschieden, dass eine dreimonatige Ausschlussfrist die Ansprüche beseitige.  Nachfolgend zwei kurze Anmerkungen zum Urteil:

1. Faire Chance zur Geltendmachung?

Aus dem Urteil:

  •     „Eine Ausschlussfrist muss dem Gläubiger aber eine faire Chance lassen, seine Ansprüche durchzusetzen (BAG 28. September 2005 – 5 AZR 52/05 – Rn. 30, BAGE 116, 66). Um zu gewährleisten, dass der Leiharbeitnehmer den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt auch dann fristwahrend geltend machen kann, wenn er die Höhe des vergleichbaren Stammarbeitnehmern des Entleihers gewährten Arbeitsentgelts (noch) nicht im Einzelnen kennt, muss die erste Stufe einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung im Leiharbeitsverhältnis es zulassen, dass eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG „dem Grunde nach“ ausreicht.“

Dass der Leiharbeitnehmer hier eine faire Chance gehabt haben soll, ist nicht nachzuvollziehen.

Erstens: Woher sollte der Arbeitnehmer wissen, dass er die Ansprüche nur „dem Grunde nach“ geltend machen muss; die bisherige Rechtsprechung des BAG war eine andere.

Zweitens: Nach Ablauf weiterer drei Monate hätte die Klage folgen müssen, was aber nur als Feststellungsklage möglich gewesen wäre; eine solche wurde von den Gerichten bisher stets als unzulässig eingestuft.

Mit anderen Worten: Dem Leiharbeitnehmer werden vom BAG geradezu hellseherische Fähigkeiten abverlangt.

 

2. Begrenzte Aussagekraft: Der spezielle Einleitungssatz der Ausschlussfrist-Klausel

Mit Blick auf die noch ausstehenden Verfahren ist auf folgende Besonderheiten der Vertragsklausel bzw. der Urteilsgründe hinzuweisen

Auszug aus § 14 Ausschlussfristen

  •     „Die Parteien vereinbaren hiermit ausdrücklich einzelvertraglich unabhängig von der Geltung eines Tarifvertrages und der einzelvertraglichen Bezugnahme eines Tarifvertrages im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses folgendes“:…

Aus dem Urteil

  • „Die Klägerin musste die erste Stufe der Ausschlussfristenregelung in § 14 Abs. 2 Arbeitsvertrag beachten. Es handelt sich um eine eigenständige arbeitsvertragliche Regelung, die der AGB-Kontrolle standhält. Dem steht die Unabdingbarkeit des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG nicht entgegen, weil Ausschlussfristen ausschließlich die Art und Weise der Durchsetzung eines entstandenen Anspruchs betreffen und nicht zu dessen Inhalt gehören (BAG 23. März 2011 – 5 AZR 7/10 – Rn. 31 mwN, BAGE 137, 249).“

Die Klausel ist ausgefeilt formuliert und weicht von der tarfilichen Regelung der Ausschlussfrist ab. Sie stellt deshalb eine „eigenständige“ arbeitsvertragliche Regelung dar, die zudem vergleichsweise klar ist.

Das ist untypisch: Normalerweise sind die vertraglichen Ausschlussfrist-Klauseln mehr oder weniger identisch mit den tariflichen. Teilweise wird der gleiche Wortlaut verwendet, ein Hinweis auf die „Unabhängigkeit von der Geltung des Tarifvertrages“ fehlt in aller Regel.

Hat die einzelvertragliche Regelung keinen eigenständigen Charakter, ist der Fall anders zu beurteilen:

Erstens muss der Arbeitnehmer dann davon ausgehen, dass sich auch die Ausschlussfrist-Klausel – wie alle anderen Bestimmungen – ausschließlich nach dem Tarifvertrag (und dessen Wirksamkeit) richtet. Zweitens bleibt zumindest unklar, was zu tun ist, wenn der Tarifvertrag unwirksam ist.

Das heißt: Das Urteil nur eine begrenzte Aussagekraft. Die dreimonatige vertraglichen Ausschlussfrist ist nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam vereinbart; diese Voraussetzungen sind in den noch offenen Fällen zumeist nicht erfüllt.