Kein Entleiher soll sagen, er hätte es nicht wissen können…
In unmissverständlicher Klarheit hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts sein Urteil vom 15.05.2013 – 7 AZR 494/11 begründet: Es entsteht auch dann kein Arbeitsverhältnis zum Entleiher, wenn die Arbeitnehmer systematisch über eine eigene Personalservicegesellschaft des Entleihers eingestellt und beschäftigt werden.
Der Gesetzgeber habe bewusst darauf verzichtet, im AÜG eine zeitliche Begrenzung für die Höchstdauer der Arbeitnehmerüberlassung vorzusehen. Zitat: „Damit war klar, dass künftig eine unbeschränkte Überlassung von Arbeitnehmern zulässig sein sollte ….“
Doch Achtung, bevor ein falscher Eindruck entsteht:
Maßgeblich für den Zeitpunkt der Beurteilung war laut BAG die Rechtslage am 3. Mai 2011! Im Urteil folgen deshalb die Sätze:
... Zwar hat der Gesetzgeber durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. a bb) des Missbrauchsverhinderungsgesetzes als § 1 Abs. 1 Satz 2 in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eine Regelung eingefügt, wonach die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher „vorübergehend“ erfolgt. Diese Bestimmung trat nach Art. 2 des Missbrauchsverhinderungsgesetzes jedoch erst am 1. Dezember 2011 und damit nach dem hier maßgeblichen Zeitraum in Kraft…„
Und weiter:
„… Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. EU L 327 vom 5. Dezember 2008 S. 9 ff. – künftig: Leiharbeitsrichtlinie) gebietet kein anderes Ergebnis. Allerdings geht diese Richtlinie in Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, c, d und e davon aus, dass Leiharbeitnehmer dem entleihenden Unternehmen überlassen werden, um dort „vorübergehend“ zu arbeiten. Den Mitgliedstaaten wurde in Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Leiharbeitsrichtlinie jedoch eine Umsetzungsfrist bis zum 5. Dezember 2011 gelassen. Diese Frist war bis zum Ende des hier maßgeblichen Zeitraums noch nicht abgelaufen. Die gesetzlichen Regeln, wonach eine unbefristete Überlassung möglich war, waren daher bis dahin ohne Weiteres unionsrechtskonform…“
Jetzt darf gerätselt werden: Deutet der Siebte Senat da etwas an („bis dahin“)? Welche Auswirkung wird der Gesetzesänderung beigemessen werden? Wird das Urteil anders ausfallen, wenn die mündliche Verhandlung vor dem LAG nach dem 30.11.2011 stattgefunden hat?
Fakt ist: Der Siebte Senat hat in einem Zustimmungsersetzungsverfahren mit Beschluss vom 10.07.2013 – 7 ABR 91/11 die nicht-vorübergehende Überlassung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG für unzulässig erklärt. Jetzt ist der Neunte Senat am Zuge:
Was den individuellen Anspruch der nicht-vorübergehend überlassenen Leiharbeitnehmer angeht, sind – soweit hier bekannt – fünf Verfahren vor dem Neunten Senat anhängig:
LAG Bad.-Württemb. – Urteil v. 22.11.2012 – 11 Sa 84/12, 9 AZR 51/13 – siehe hierzu „Termine“
LAG Berlin-Brdb. – Urteil v. 16.10.2012 – 7 Sa 1182/12, 9 AZR 111/13
LAG Berlin-Brdb. – Urteil v. 09.01.2013 – 15 Sa 1635/12, 9 AZR 268/13
LAG Berlin-Brdb. – Urteil v. 16.04.2013 – 16 Sa 1637/12, 9 AZR 665/13
LAG Berlin-Brdb. – Urteil v. 16.04.2013 – 16 Sa 2355/12, 9 AZR 666/13
Die Entscheidungen dürfen mit Spannung erwartet werden. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Entleiher wäre nach den Ausführungen im hiesigen Urteil keine Überraschung mehr.