Bundesarbeitsgericht: AÜG-Erlaubnis bei Schein-Werkverträgen verhindert Arbeitsverhältnis

Der 9. Senat des BAG – Urteil vom 12.07.2016 – 9 AZR 352/15 hat die sog. „Fallschirmlösung“ durchgewunken. Stellt sich ein Werkvertrag als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung heraus (= Schein-Werkvertrag), dann hat der (verdeckte) Entleiher nichts zu befürchten. Der (verdeckt) entliehene Arbeitnehmer kann kein Arbeitsverhältnis beanspruchen.

Ende der Fallschirm-Lösung in Sicht

Der Fallschirm wird jedoch nicht mehr lange tragen: Nach dem jüngsten Gesetzentwurf wird es ab 2017 so sein, dass ein Arbeitsverhältnis von Gesetzes wegen entsteht (vorausgesetzt, der Arbeitnehmer widerspricht dem nicht). Auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis soll sich künftig nur derjenige berufen können, der den zugrunde liegenden Vertrag auch ausdrücklich als „Arbeitnehmerüberlassung″ bezeichnet (vgl. § 1 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG-E).

Equal-Pay-Anspruch prüfen

Bis es soweit ist, kann der Arbeitnehmer, zumindest in den meisten Fällen, von seinem Arbeitgeber (dem Verleiher) die gleiche Bezahlung wie die Stammarbeitnehmer des Entleihunternehmens verlangen. Er braucht sich nicht auf eine geringere Vergütung im Arbeitsvertrag verweisen lassen. §§ 10 Abs. 4, 9 Nr. 2 AÜG verschafft ihm einen Equal-Pay-Anspruch, von dem nur bei Anwendung eines Zeitarbeit-Tarifvertrages abgewichen werden dürfte (eine derartige Anwendung ist in aller Regel nicht vereinbart).

Hier die Pressemitteilung des BAG im Volltext:

Besitzt ein Arbeitgeber die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen, kommt zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher nach geltendem Recht auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers nicht als Arbeitnehmerüberlassung, sondern als Werkvertrag bezeichnet worden ist (verdeckte Arbeitnehmerüberlassung).

Die Klägerin ist technische Zeichnerin. Sie war bei der Beklagten, einem Automobilunternehmen, seit dem Jahr 2004 bis zum 31. Dezember 2013 tätig. Grundlage ihrer Tätigkeit waren zwischen der Beklagten und der Vertragsarbeitgeberin der Klägerin als Werkverträge bezeichnete Vereinbarungen. Die Vertragsarbeitgeberin verfügte über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Klägerin hat gemeint, ihre Vertragsarbeitgeberin und die Beklagte hätten nur Scheinwerkverträge geschlossen, um die Arbeitnehmerüberlassung zu verdecken. Die Beklagte könne sich deshalb nicht auf die erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung berufen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, mit der die Klägerin vor allem festgestellt haben wollte, dass zwischen ihr und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Zwischen der Beklagten und der Klägerin ist auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, wenn die Klägerin auf der Grundlage eines Schein-werkvertrags als Leiharbeitnehmerin der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen worden wäre. Maßgeblich ist, dass die Vertragsarbeitgeberin der Klägerin die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung hatte. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert iVm. § 9 Nr. 1 AÜG das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat für eine solche nicht offene Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 12. Juli 2016 – 9 AZR 352/15 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 7. Mai 2015 – 6 Sa 78/14 –

Der Senat hat über diese Fragestellung in den ähnlich gelagerten Verfahren – 9 AZR 51/15 -, – 9 AZR 359/15 -, – 9 AZR 537/15 – und – 9 AZR 595/15 – ebenso entschieden.