Gewerkschafter starten Aufruf gegen Fortführung der Zeitarbeit-Tarifverträge

Seit Anfang Juli befragen die DGB-Gewerkschaften ihre in der Leiharbeit beschäftigten Mitglieder nach ihren Vorstellungen zur anstehenden Tarifrunde. Die Äußerungen der Betroffenen sollen bei der Diskussion über die Forderungen in den gewerkschaftlichen Tarifkommissionen berücksichtigt werden. Während diese Umfrage läuft, hat eine Gruppe kritscher Gewerkschafter – wie bereits 2012/2013 – einen Aufruf gegen die Fortführung der Leiharbeit-Tarifverträge gestartet.

Tarifverträge verschlechtern die Bezahlung

Tarifverträge sollen eigentlich die Situation der Beschäftigten verbessern. In der Zeitarbeit haben die Tarifverträge die gegenteilige Wirkung: Die Verleihunternehmen können die Tarifverträge anwenden und brauchen dann nicht das Gehalt eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers zahlen. Die Tarife bedeuten eine zum Teil deutlich geringere Vergütung (durchschnittlich ca. 30 Prozent weniger). Diese paradoxe Situation ist der Ausgangspunkt für die Forderung der Kritiker: „Equal Pay für LeiharbeiterInnen – diskriminierende Tarifverträge ersatzlos kündigen!“

Argumente gegen die Tarifverträge

Vieles spricht für die Forderung: Wenn die DGB-Tarifverträge ersatzlos auslaufen, greife der Tarifvorbehalt im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht mehr. In diesem Fall dürften Leiharbeitnehmer bei Bezahlung und Arbeitsbedingungen gegenüber Stammkräften nicht mehr benachteiligt werden. Eine klare und einfache Lösung ohne Ausnahmen und Rückausnahmen und ohne Spielraum für juristische Spitzfindigkeiten.

Argumente pro Tarifverträge

Die Befürworter der Leiharbeitstarife geben zu bedenken,, dass der künftige Verzicht auf Tarifverträge nicht automatisch zu Equal Pay führe. Die alten Verträge könnten – was jedoch sehr zweifelhaft ist – nachwirken, die Betroffenen müssten jeweils individuell vor den Arbeitsgerichten klagen, es bestünde eine enorme Rechtsunsicherheit. Überdies finde der Equal Pay-Grundsatz im AÜG in verleihfreien Zeiten keine Anwendung; den Arbeitgebern würden sich größere Missbrauchsmöglichkeiten bieten als mit den Tarifverträgen. Schließlich hätten sich die Bedingungen aufgrund der Tarifaktivität verbessert: Die Gewerkschaften und viele Betriebsräte haben Zuschläge bzw. Besserstellungen ausgehandelt.

Breite Diskussion wünschenswert

Letztlich dürfte die individuelle Haltung zu den Leiharbeitstarifen davon abhängen, ob das Mitglied von seiner Gewerkschaft ganz generell einen eher kooperativen Kurs erwartet oder eine konsequente Opposition. Die Tarifrunde zur Leiharbeit bietet eine gute Gelegenheit, die unterschiedlichen Ansatzpunkte zu diskutieren. Eine offene und möglichst breit geführte Diskussion wäre wünschenswert.

 

Nachfolgend der Aufruf im Volltext:

2013 hatte die DGB-Tarifgemeinschaft die auslaufenden Tarifverträge mit BAP und iGZ nach längeren Diskussionen verlängert.
Unseres Erachtens gibt es für die DGB-Gewerkschaften eine noch größere Dringlichkeit, die Tarifverträge ersatzlos zu kündigen, denn noch schlechtere Tarifverträge durch gelbe Konkurrenz sind vom Tisch. Die Bilanz der Branchenzuschläge und Betriebsvereinbarungen selbst bei Entleihern mit starken Betriebsräten und gewerkschaftlichen Vertrauensleuten (v.a. Automobilindustrie) ist weit vom Equal Pay und Equal Treatment entfernt.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit stellt nach wie vor die Beschlußlage der an der DGB-Tarifgemeinschaft beteiligten Gewerkschaften dar! Sie alle beklagen, dass die Ausweitung der Leiharbeit und des damit verbundenen Lohndumpings zu einer Ausweitung prekärer Beschäftigung führt, Belegschaften unter Druck setzt und uns in gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen schwächt. Unverzichtbar ist daher, die DGB-Tarifverträge in der Zeitarbeit schnellstmöglich zu beenden. Tarifverträge dürfen nicht zur Schlechterstellung gegenüber dem Gesetz führen!

Wir sind gemeinsam mit zahlreichen Arbeitsrechtler/innen der Überzeugung, dass die Vorteile einer ersatzlosen Kündigung angesichts des Equal-Pay-Grundsatzes im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gegenüber möglichen und angeblichen Risiken deutlich überwiegen. Eine ersatzlose Kündigung des Tarifvertrags ermöglicht die Durchsetzung einer gleichen Bezahlung von Leiharbeiter/innen. Eine Neuauflage des Tarifvertrags hingegen zementiert Lohndumping durch die Leiharbeit und beschädigt unsere gewerkschaftliche Glaubwürdigkeit erneut.Hiermit fordern wir von der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit:

    Ersatzlose Absage erneuter Tarifverhandlungen
    Kündigung auch des MantelTV  – auch nach dem 30.6. ist es dafür nicht zu spät, solange nicht erneut verhandelt wird!
    Konsequenter Einsatz aller gewerkschaftlicher Mobilisierungskraft gegen zusätzliche Verschlechterungen durch den “Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze”

Hiermit fordern wir von der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit:

  •     Ersatzlose Absage erneuter Tarifverhandlungen
  •     Kündigung auch des MantelTV  – auch nach dem 30.6. ist es dafür nicht zu spät, solange nicht erneut verhandelt wird!
  •     Konsequenter Einsatz aller gewerkschaftlicher Mobilisierungskraft gegen zusätzliche Verschlechterungen durch den “Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze”