Mit der Gesetzesnovelle zum 01.04.2017 haben die Branchenzuschlag-Tarifverträge eine besondere Bedeutung gewonnen. Deshalb an dieser Stelle das Wichtigste in Kürze:
(beachten Sie die die in 2020 aktualisierten Blogbeiträge unter „verwandte Artikel“ am rechten Rand dieser Seite)
1. Allgemeines
Beginnend ab 2012 wurden für diverse Branchen so genannte Branchenzuschläge für die Leiharbeitnehmer in diesen Bereichen vereinbart. In den Tarifverträgen zwischen den jeweiligen Einzelgewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden BAP und iGZ wurde die Lücke zwischen den Tarifentgelten in der Leiharbeit und den Einsatzbranchen verringert.
Diese Tarifverträge gelten für alle tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen von BAP und iGZ. Sie finden zudem Anwendung, wenn im Arbeitsvertrag auf die Tarifregelungen von BAP (früher BZA) oder iGZ Bezug genommen wird.
Der Branchenzuschlag ist ein nach der Einsatzdauer gestaffelter Prozentsatz, der auf das jeweilige Stundenentgelt aufgeschlagen wird. Er ist zu zahlen, wenn ein Leiharbeitnehmer in einem Unternehmen dieser Branchen länger als sechs beziehungsweise vier Wochen (Tarifverträge ver.di) eingesetzt wird. Die Höhe der Zuschläge variiert dabei nach Branche, Einsatzdauer und Qualifikation.
2. Branchen mit Zuschlagsregelungen (Stand: Oktober 2017)
Im Jahr 2017 hat die Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ), bestehend aus dem iGZ und dem BAP, zehn aktualisierte Branchenzuschlagstarifverträge mit der jeweils zuständigen Gewerkschaft abgeschlossen. Folgende Tarifverträge sind rückwirkend zum 1. April 2017 in Kraft treten:
IG-Metall:
• Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Metall- und Elektroindustrie (TV BZ ME)
• Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Holz- und Kunststoffindustrie (TV BZ HK)
• Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie (TV BZ TB)
IG BCE:
• Tarifvertrag über Branchenzuschläge in der Chemischen Industrie (TB BZ Chemie)
• Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Kunststoff verarbeitenden Industrie (TV BZ Kunststoff)
• Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Kautschukindustrie (TV BZ Kautschuk)
• Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen von gewerblichen Arbeitnehmern in die Papier erzeugende Industrie (TV BZ PE – gewerblich)
• Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in den Kali- und Steinsalzbergbau (TV BZ KS)
ver.di:
• Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie (TV BZ PPK)
• Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Überlassungen von gewerblichen Arbeitnehmern in der Druckindustrie (TV BZ Druck – gewerblich)
Ein TV BZ Eisenbahn soll folgen. Die Gültigkeit des alten Tarifvertrages TV BZ Eisenbahn wurde um drei Monate bis zum 31.12.2017 verlängert. Dieser Zeitraum soll für Verhandlungen zum Abschluss eines neuen Branchenzuschlagstarifvertrages genutzt werden.
3. Die Zuordnung zu den Branchen
Die Zuordnung des Einsatzunternehmens zu den verschiedenen Branchen kann unter Umständen mit Schwierigkeiten verbunden sein. Entscheidend sind die hergestellten Produkte und die maßgeblichen unternehmerischen Zwecke. Einzelne Kriterien wie zum Beispiel die Zuordnung des Unternehmens in die amtliche Statistik der Wirtschaftszweige (WZ 2008) können Anhaltspunkte bieten.
Im Zweifelsfall entscheidet sich die Branchenzugehörigkeit des Einsatzunternehmens nach dem in diesem Unternehmen angewendeten Tarifvertrag. Die Branchenzugehörigkeit ist in den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen dem Einsatzunternehmen und dem Leiharbeitsunternehmen aufzunehmen.
4. Die wichtigsten Fragen und Antworten
Die Branchenzuschläge verringern die Entgeltlücke binnen 15 Monaten in sechs Schritten, beginnend ab der 4. bzw. ab der 6. Woche. Die Systematik der Zuschläge ist in allen abgeschlossenen Branchenzuschlagstarifverträgen dieselbe. Unterschiede zwischen den einzelnen Branchenzuschlägen bestehen insbesondere hinsichtlich der Höhe der prozentualen Aufschläge. Die unterschiedliche Prozenthöhe resultiert aus der unterschiedlich hohen Differenz zwischen Leiharbeitslohn und vergleichbarem Tariflohn.
Die einzelnen Tabellen mit ihren Prozentstaffel sind auf den Seiten der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände abrufbar. Nachfolgend die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was gilt, wenn das Einsatzunternehmen nicht tarifgebunden ist?
Wenn ein Einsatzunternehmen keine Tarifbindung hat – egal, ob das Unternehmen aus dem Arbeitgeberverband ganz ausgetreten ist oder eine sogenannte OT-Mitgliedschaft hat – gelten die Regelungen zu den Branchenzuschlägen in aller Regel trotzdem. Der Grund ist einfach: Der tarifliche Status des Einsatzunternehmens ist irrelevant. Entscheidend ist, dass fast alle Leiharbeitsunternehmen Mitglied in einem der Arbeitsgeberverbände BAP oder iGZ sind und/oder arbeitsvertraglich auf diese tariflichen Regelungen Bezug genommen wird. Trifft dies ausnahmsweise nicht zu, besteht sogar ein Anspruch auf Equal Pay.
Wie ist das mit den Einsatzzeiten und ab wann beginnt ein Einsatz wieder von vorn?
Grundsätzlich werden die Branchenzuschläge nach bestimmten ununterbrochenen Einsatzdauern im Unternehmen fällig. Dabei zählen auch Feiertage, Urlaub und Krankheitstage mit Lohnfortzahlungsanspruch. Wenn der Einsatz für länger als drei Monate unterbrochen wird, beginnt die Einsatzdauer von vorne.
Wird der Einsatz des Leiharbeitnehmers im Kundenunternehmen für höchstens drei Monate unterbrochen, beginnt die Einsatzzeit nicht von vorne, sondern an dem Zeitpunkt, an dem der vorhergehende Einsatz Leiharbeitnehmers in diesem Unternehmen beendet wurde. Die Unterbrechungszeit ist für das Erreichen des Zuschlags und der weiteren Zuschlagsstufen in diesem Fall unschädlich. Bei einem Arbeitgeberwechsel (Wechsel des Leiharbeitsunternehmens) werden vorangegangene Einsatzzeiten im selben Einsatzunternehmen angerechnet, sofern sie ohne Arbeitgeberwechsel zu berücksichtigen gewesen wären.
Kann der Branchenzuschlag verrechnet werden?
Es gilt der Grundsatz, dass der Branchenzuschlag nicht mit sonstigen Leistungen jedweder Art aus den Tarifverträgen verrechnet werden darf. Er kann jedoch mit übertariflichen Zulagen verrechnet werden.
Der Branchenzuschlag kann nicht verrechnet werden mit anderen Leistungen, beispielsweise Aufwendungsersatzleistungen wie Fahrtgeld, Auslagen oder Verpflegungsmehraufwand und Entgeltbestandteile wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Prämien jedweder Art, Sonderzulagen, Leistungszulagen, Zuschläge (z. B. für Mehr-/ Wochenend-/ Schicht-/ Nachtarbeit), Erschwerniszulagen (z.B. für Schmutz), Wegezeitvergütungen oder sonstige tarifliche Leistungen. Der Branchenzuschlag darf auch nicht mit gesetzlichen Ansprüchen (z. B. Urlaubsentgelt, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) verrechnet werden.
Die Branchenzuschläge sind jedoch anrechenbar auf gezahlte übertarifliche Leistungen. Übertarifliche Leistungen sind Entgeltleistungen, die das Leiharbeitsunternehmen mit einzelnen Beschäftigten vereinbart hat oder freiwillig bezahlt und die die tariflichen Entgeltansprüche übersteigen. Dies ist typischerweise ein höheres Stundenentgelt. Die übertariflichen Leistungen müssen allerdings in ihrem Zweck dem Branchenzuschlag entsprechen, d. h. es muss sich um ein höheres Stundenentgelt handeln.
Nicht anrechenbar sind Leistungen, die zum Ausgleich von besonderen Arbeitszeiten, Erschwernissen oder ähnlichem gezahlt werden. Der Branchenzuschlag berechnet sich grundsätzlich nach dem tariflichen Stundenentgelt und nicht nach dem übertariflichen Entgelt. Eine Anrechnung von übertariflichen Leistungen kann es nur für die Einsatzzeiten geben, in denen Branchenzuschläge auch tatsächlich gezahlt werden. Hiervor bleibt es beim vollen Anspruch auf die übertariflichen Leistungen. Soweit Beschäftigte Anspruch auf einen Branchenzuschlag haben, müssen die in den Branchentarifverträgen BZA/iGZ geregelten Zuschläge (§ 4 ETB BZA) bzw. die einsatzbezogene Zulage (§ 5 ERTV iGZ) nicht gezahlt werden.
Was ist, wenn im Einsatzunternehmen bessere Regelungen für Leiharbeitnehmer gelten?
In Unternehmen, in denen es gelungen ist, für Leiharbeitnehmer bessere Bezahlung oder auch sonstige Besserstellungen per Tarifvertrag oder Unternehmensvereinbarung zu sichern, sind diese nicht verrechenbarer Teil der tariflichen Ansprüche der Beschäftigten. Das Leiharbeitsunternehmen muss die Leiharbeitskräfte über solche Regelungen in den Einsatzunternehmen informieren. Außerdem sind diese Regelungen in den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag aufzunehmen, den das Einsatzunternehmen mit dem Leiharbeitsunternehmen schließt.
Wie sind die Branchenzuschläge bei Krankheit, Urlaub oder Feiertagen zu berücksichtigen?
Die Branchenzuschläge sind ein fester Entgeltbestandteil. Das heißt, die Branchenzuschläge sind bei der Bezahlung von Krankheit, Urlaub und Feiertagen zu berücksichtigen.
Kann die Zahlung der Branchenzuschläge gedeckelt werden?
Der Branchenzuschlag ist bis zur Einsatzdauer von 15 vollendeten Monaten auf die Differenz zum laufenden regelmäßig gezahlten Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Kundenbetriebs beschränkt, wobei die Beschränkung nicht dazu führen darf, dass nach einer Einsatzdauer von sechs vollendeten Wochen kein Zuschlag gezahlt wird. Nach dem 15. vollendeten Monat des jeweiligen Einsatzes ist der Branchenzuschlag auf das Arbeitsentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Kundenbetriebs im Sinne des § 8 Abs. 1 AÜG beschränkt, wobei tarifvertragliche Entgeltbestandteile der Zeitarbeitsbranche auf entsprechende Vergütungsbestandteile der Einsatzbranche angerechnet werden können.
Kann sich die Prozenthöhe des Branchenzuschlags verändern?
Ja, sie kann. Die Tarifvertragsparteien haben vereinbart, die Höhe des Branchenzuschlags der einschlägigen Tarifentwicklung anzupassen. Steigen beispielsweise die Löhne in der Druckindustrie stärker als die vergleichbaren Löhne in der Leiharbeit, können die Tarifvertragsparteien den Branchenzuschlag neu festlegen, sprich erhöhen, damit der „alte“ Abstand zwischen Stundenlohn plus Branchenzuschlag in der Leiharbeit und vergleichbarem Tariflohn wiederhergestellt wird. Die Neufestlegung kann nur in vollen Prozentschritten erfolgen.