Große Aufmerksamkeit haben zwei Urteile des Bundessozialgerichts vom 27.06.2019 (B 11 AL 14/18 R und B 11 AL 17/18 R) erregt. Das Gericht hatte in den Verfahren entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrungen der Bundesagentur für Arbeit keine Grundlage für höhere Sperrzeiten als drei Wochen erlauben. In der öffentlichen Berichterstattung wurde Betroffenen empfohlen, entsprechende Bescheide rückwirkend bis 2015 überprüfen zu lassen.
Wichtig zu wissen:
Der weitaus häufigste Fall der Sperre von 12 Wochen, die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, z. B. nach fristloser Kündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages, ist nicht betroffen!
Ein Überprüfungsantrag hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn die Sperrzeit im laufenden Arbeitslosengeldbezug verhängt wurde. Und zwar dann, wenn der Arbeitslose die erhöhte Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme oder bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme erhalten hat.
Nachfolgend die Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 27.06.2019 im Volltext:
Lehnt ein Arbeitsloser wiederholt Beschäftigungsangebote ab oder verweigert die Teilnahme an Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (versicherungswidriges Verhalten), kann deshalb eine zweite und dritte Sperrzeit mit einer Dauer von sechs und zwölf Wochen nur eintreten, wenn dem Arbeitslosen zuvor konkrete Rechtsfolgenbelehrungen erteilt worden sind und zudem bereits ein Bescheid über eine vorausgegangene Sperrzeit ergangen ist. Dies hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts heute in zwei Fallgestaltungen entschieden (B 11 AL 14/18 R und B 11 AL 17/18 R), in denen die Arbeitsverwaltung erst deutlich nach dem mehrfachen möglichen versicherungswidrigen Verhalten zeitgleich mehrere Bescheide über Sperrzeiten mit unterschiedlicher Dauer erlassen hatte. Gegenüber der bisherigen generellen Praxis der Bundesagentur für Arbeit hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts damit erhöhte Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung für solche Sperrzeiten formuliert, die über eine Dauer von drei Wochen hinausgehen.
Einheitliche Rechtsfolgenbelehrungen, die – wie in den entschiedenen Fallgestaltungen – auf sämtliche möglichen Sperrzeitformen bei einem wiederholten versicherungswidrigen Verhalten hinweisen und damit lediglich den Gesetzestext wiederholen, sind keine wirksamen Rechtsfolgenbelehrungen für Sperrzeiten mit einer Dauer von sechs oder zwölf Wochen. Mit den Grundsätzen einer individuellen Vermittlung ist verbunden, dass hinsichtlich der leistungsrechtlichen Konsequenzen im konkreten Fall belehrt werden muss. Ausgehend hiervon kommt in der Sache B 11 AL 14/18 R schon deshalb nur eine dreiwöchige Sperrzeit in Betracht. Allerdings sind weitere Feststellungen des Landessozialgerichts erforderlich, weshalb die Sache zurückverwiesen wurde.
Gleichfalls in Abweichung von der bisherigen Praxis der Arbeitsverwaltung hat der 11. Senat aus der systematischen Regelungsstruktur der Sperrzeitvorschriften und den Grundsätzen zu deren verfahrensrechtlicher Umsetzung abgeleitet, dass die besonderen Rechtsfolgen einer zweiten und dritten Sperrzeit mit einer Dauer von sechs und zwölf Wochen nur eintreten können, wenn das vorangegangene versicherungswidrige Verhalten durch einen Verwaltungsakt umgesetzt worden ist. Wegen der vom Gesetz geforderten Abfolge von erstem, zweitem und weiterem versicherungswidrigen Verhalten muss auch die Umsetzung zeitlich gestaffelt stattfinden. Ausgehend hiervon konnte die sechswöchige Sperrzeit im Verfahren B 11 AL 17/18 R keinen Bestand haben, weil die Agentur für Arbeit erst zu einem späteren Zeitpunkt die Leistungsbewilligung zeitgleich wegen mehrerer Sperrzeiten aufgehoben hat.