Die Kurzarbeit ist leider zu einem Dauerzustand geworden, weshalb es bei der betrieblichen Altersversorgung (bAV) zu Fragen und Problemen kommen kann. Arbeitgeber geraten in finanzielle Engpässe und melden beim Tarifpartner oder beim Betriebsrat eine Anpassung hinsichtlich der Aufbringung der Beiträge an.
Bei der Beratung von Betriebsräten und Arbeitnehmern ist jeder Einzelfall gesondert zu betrachten: Die unterschiedlichen Versorgungszusagen/-ordnungen und Durchführungswege, die Art der Finanzierung und das Kleingedruckte der Versicherungsbedingungen beeinflussen die rechtliche Situation und damit die konkreten Handlungsoptionen.
Ungeachtet der Details ist es wichtig, einige Grundsätze zu kennen und zu beachten. Nachfolgend die wichtigsten Fragen und Antworten aus Arbeitnehmersicht:
1. Spezialregelung in der Versorgungsordnung?
Vor allem anderen ist zu prüfen, ob die Versorgungsordnung, die in Form eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarungen oder einer individualrechtlichen Zusage besteht, eine Regelung zur Kurzarbeit vorsieht. Speziell in Tarifverträgen kann der Fall des Bezuges einer Lohnersatzleistung und/oder des Kurzarbeitergeldes gesondert geregelt sein.
2. Arbeitgeberfinanzierte bAV
Soweit die bAV oder Bestandteile der bAV arbeitgeberfinanziert sind, kann sich die Frage ergeben, ob Kurzarbeit den Arbeitgeber arbeitsrechtlich dazu berechtigt, die von ihm finanzierten Beiträge zur bAV zu kürzen.
- Wird eine bAV mittels Versicherung (z. B. Direktversicherung) finanziert, liegt in der Regel eine beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ) vor: Der Arbeitgeber sagt die Zahlung bestimmter Beiträge zu, aus der sich eine bestimmte Leistung ergibt. Ob der Beitrag – ggf. auch nur vorübergehend – gesenkt werden kann, richtet sich nach der Ausgestaltung der Zusage.
o Ist der Beitrag an das zu zahlende Arbeitsentgelt gekoppelt (X % des Arbeitsentgeltes), sinkt der Beitrag schon automatisch mit der Reduzierung des Gehaltes in Folge der Kurzarbeit.
o Hat der Arbeitgeber einen Beitrag in Höhe eines festen Betrages zugesagt und zahlt er diesen – vorübergehend – nicht weiter, kommt es dadurch zu einer Absenkung der Versorgungsleistungen, die aber aufgrund der wirtschaftliche Notlage zulässig sein könnte. Dabei ist immer zu prüfen, was in der Versorgungszusage im Detail geregelt ist und wie sich die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers darstellt; eine etwaige Kürzung muss im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung abgewogen werden.
- Bei einer reinen Leistungszusage hat der Arbeitgeber eine bestimmte Leistung zugesagt und die Leistung nicht mit der Zahlung bestimmter Beiträge verknüpft; allein die Kurzarbeit führt nicht zur Kürzung der zugesagten Leistung. Hat der Arbeitgeber zur Finanzierung der Zusage – wie üblich – eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen und wendet er die zur Ausfinanzierung notwendigen Beiträge vorübergehend nicht auf, entsteht eine Finanzierungslü>
3. Arbeitnehmerfinanzierte bAV (Entgeltumwandlung)
Soweit die bAV oder Bestandteile der bAV arbeitnehmerfinanziert sind, ist diese sog. Entgeltumwandlung auch während der Kurzarbeit möglich. Das gilt jedenfalls, solange der Mitarbeiter neben dem Kurzarbeitergeld auch ein (gekürztes) Gehalt bezieht. Wird das Gehalt infolge der Kurzarbeit dagegen auf 0 gesenkt, ist eine Entgeltumwandlung nicht mehr möglich, da es sich beim Kurzarbeitergeld nicht um Entgelt, sondern um eine Lohnersatzleistung handelt.
Auf den Eintritt der Kürzung oder den Wegfall der Umwandlung kann der Arbeitnehmer im Rahmen einer Direktversicherung auf verschiedene Weise reagieren
- Er kann die Beiträge aus dem Restgehalt weiterhin als Entgeltumwandlung zahlen
o Es ergeben sich keine Auswirkungen auf die garantierten Leistungen.
- Er kann die Beiträge aus seinem Nettoeinkommen zahlen.
o Hierzu kann auch das Kurzarbeitergeld verwendet werden. (Nicht möglich bei Unterstützungskasse)
- Er kann die Beiträge für eine befristete Zeit reduziert (Beitragsreduzierung).
o Die Versicherung wird mit dem neuen reduzierten Beitrag weitergeführt und die garantierten Leistungen zum Rentenbeginn neu berechnet.
- Er kann die Beiträge ganz aussetzen (Beitragsfreistellung).
o In diesem Fall ist zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer Leistungsnachteile drohen, z. B. weil eine mitabgesicherte Berufsunfähigkeit nicht mehr gedeckt ist
- Er kann die Beiträge für eine befristete Zeit stunden (Stundung).
Egal wofür sich der Arbeitnehmer entscheidet: Die Maßnahme muss einerseits arbeitsrechtlich und andererseits versicherungsrechtlich abgesichert werden. Dem Arbeitnehmer (oder dem Betriebsrat) ist dringend zu empfehlen, mit beiden Akteuren ins Gespräch zu gehen.
4. Sonder- und Kulanzregelungen der Versicherungsunternehmen
Soweit – wie in den allermeisten Fällen – Versicherungsunternehmen zur Begründung oder zur Rückdeckung der Ansprüche einbezogen sind, sind sie neben dem Arbeitgeber der zweite Ansprechpartner. Viele Versicherungsgesellschaften haben Sonderregelungen für den Fall, dass weniger Entgelt und dafür Kurzarbeitergeld bezogen wird. Einige bieten sogar spezielle Kulanzregelungen für die Zeit der Corona-Pandemie.
Die geltenden Konditionen sollten umgehend in Erfahrung gebracht werden. In vielen Fällen sind Anträge zu stellen, die teilweise innerhalb bestimmter Fristen. Hier ist proaktives Handeln empfehlenswert, weil längst nicht alle Arbeitgeber darüber informiert sind und deshalb auf die Arbeitnehmer zugehen.
5. Was ist den Arbeitnehmern (wegen der Entgeltumwandlung) zu empfehlen?
1. Es ist der Beitrag zu ermitteln, den die Arbeitnehmer über die sogenannte Entgeltumwandlung selbst aus Ihrem Bruttogehalt in Ihren Betriebsrentenvertrag einzahlen; er ist in der Gehaltsabrechnung deutlich ausgewiesen.
2. Der Arbeitnehmer muss sich entscheiden, ob er diesen Beitrag während der Kurzarbeit weiter in gleicher Höhe aufbringen, ob er ihn reduzieren möchte oder ob er die Beitragszahlung einstellen möchte; im letzteren Fall kommt eine Freistellung oder Stundung in Betracht.
3. Der Arbeitnehmer informiert sich über den Arbeitgeber oder direkt bei dem Versicherungsunternehmen, welche Möglichkeiten bestehen und welche Auswirkungen seine Entscheidung ggf. hat. Dabei ist ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, ob es zu einem Wegfall von Leistungen kommen kann (z. B. im Fall des Eintritts einer Berufsunfähigkeit).
4. Der Arbeitnehmer vereinbart mit dem Arbeitgeber ggf. die vorübergehende Änderung des Vertrages entsprechend seiner Entscheidung. Ein Beispiel ist als Anlage beigefügt.
5. Nach Ende der Kurzarbeitsphase kann der Arbeitnehmer die zwischenzeitlich reduzierten Beiträge wieder in der ursprünglich vereinbarten Höhe zahlen; in diesem Fall wird sich die Versorgungsleistung (geringfügig) reduzieren. Um eine Reduzierung zu vermeiden, kann der Arbeitnehmer – wenn die Versicherungsbedingungen dies zulassen – die nicht gezahlten bzw. reduzierten Beiträge mit einem Einmalbeitrag nachzahlen; dann bleibt die Versorgung in ursprünglicher Höhe erhalten.
6. Was ist den Betriebsräten zu empfehlen?
Betriebsräte sind gut beraten, ihre Betriebsvereinbarungen bzw. Versorgungsordnungen unter Berücksichtigung dieses Handouts zu prüfen und ins Gespräch mit dem Arbeitgeber zu gehen. Eine vorübergehende Anpassung der BV kann Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor unliebsamen Überraschungen bewahren.
Abschließend nochmals der Hinweis:
Jeder Einzelfall ist gesondert zu betrachten. Die vorstehenden Ausführungen liefern nur einen Einstieg. Für vertiefende Fragen stehen die Mitarbeiter unseres Kooperationsparnters u.di Unterstützungs- und Vorsorgewerk für den Dienstleistungsbereich e.V. gern zur Verfügung.
Kontakt über:
u.di Unterstützungs- und Vorsorgewerk für den Dienstleistungsbereich e.V.
Petra Demuth
Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin
Telefon: 030-27587070
E-Mail: berlin@u-di.de
Nachtrag zur Entgeltumwandlung vom ______________während des Bezuges von Kurzarbeitergeld
zwischen ____________________________
(nachfolgend Arbeitgeber)
Herrn/Frau _________________
(nachfolgend Arbeitnehmer)
1. Vorübergehende Herabsetzung des Umwandlungsbetrags
Aus Anlass der Reduktion des Entgelts aufgrund von Kurzarbeit wird die Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Wirkung vom _____________ bis zur Beendigung der Kurzarbeitsphase wie folgt geändert:
Solange der Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld bezieht, wird Umwandlung von Arbeitsentgelt und die Beitragszahlung an den Versorgungsträger wie folgt abgeändert:
o Die Beitragszahlung wird ausgesetzt
o Die Beitragszahlung wird auf einen Umwandlungsbetrag in Höhe von ________ EUR pro Monat/pro Jahr herabgesetzt.
Nach Ablauf der Kurzarbeitsphase wird der Umwandlungsbetrag auf den ursprünglich vereinbarten Betrag erhöht, ohne dass es einer Erklärung der VErtragsparteien bedarf.
2. Reduzierung der Beiträge
Soweit ein Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung zugesagt ist, wird dieser während der Kurzarbeitsphase ausgesetzt oder reduziert, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung nicht oder nicht in vollem Umfang vorliegen.
3. Hinweise zur Reduzierung der Leistungen
Dem Arbeitnehmer ist bekannt,
- dass die Reduktion bzw. die Aussetzung der Entgeltumwandlung sowie eines etwaigen Arbeitgeberzuschusses die Höhe der Versorgungszusage entsprechend den Versicherungsbedingungen reduziert,
- dass ein während der Zeit der Kurzarbeit eintretender Leistungsfall zu einer Reduzierung oder zu einem Wegfall der Leistung führen kann,
- dass sich die Einzelheiten der Reduzierung bzw. des Wegfalls aus den der Versorgung zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen bzw. dem Leistungsplan ergeben.
4. Option zur Erhöhung des Umwandlungsbetrags
Dem Arbeitnehmer steht es frei, für die Zeit nach Ablauf der Kurzarbeitsphase in einer separaten Entgeltumwandlungsvereinbarung mit dem Arbeitgeber und dem Versorgungsträger die Umwandlungsbeträge zu erhöhen.
Ort, Datum
Unterschrift Arbeitnehmer
Unterschrift Arbeitgeber
Zur Kenntnis genommen: Versicherungsgesellschaft