Aus aktuellem Anlass – wir bearbeiten gerade ein Mandat mit vergleichbarer Fallkonstellation – möchte ich Betroffene auf zwei wichtige Urteile des Bundesarbeitsgerichts zur betrieblichen Altersversorgung hinweisen.
1. Im ersten Fall geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber die Versorgungsregelung einer betrieblichen Altersversorgung verschlechtern darf.
Zu beachten ist – wie immer – das sogenannte 3-Stufen-Modell sowie die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage: In seiner Entscheidung hat das BAG – Urteil vom 12.05.2020 – 3 AZR 157/19 klargestellt, dass die Änderung bilanzrechtlichen Bestimmungen keine Anpassung von Versorgungsregelungen wegen Störung der Geschäftsgrundlage rechtfertigen können. Der Arbeitgeber kann das Versorgungsniveau für bestehende Anwartschaften nicht mit der Begründung absenken, dass sich seine wirtschaftliche Lage aufgrund bilanzieller Effekte verschlechtert. Da selbst eine wirtschaftliche Notlage nicht zu einem Eingriff in erdiente Anwartschaften und Rentenleistungen führen dürfe, sei eine wirtschaftlich ungeplante und belastende Entwicklung der Zinslandschaft und damit der handelsbilanziellen Situation hierzu ebenfalls nicht geeignet.
Das bedeutet in Kürze:
Auch wenn bereits seit mehreren Jahren ein Niedrigzinsumfeld besteht, darf die zugesagte und geschützte (hohe) Kapitalverzinsung nicht einfach abgesenkt werden.
2. Im zweiten Fall geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber eine laut Versorgungsordnung ins Ermessen gestellten Verrentung des Kapitals verweigern darf.
Eine solche Entscheidung – so das BAG – Urteil vom 08.12.2020 – 3 AZR 64/19 – müsse typischerweise in Anwendung billigen Ermessens (§ 315 BGB), jedenfalls aber unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgen.
Da die wirtschaftlichen Interessen der Parteien gleichwertig zu behandeln seien, überwiege weder das Interesse des Arbeitnehmers, während seines gesamten Ruhestands mit einer Betriebsrente abgesichert zu sein, noch das Anliegen des Arbeitgebers, durch eine Kapitalisierung das Versorgungsverhältnis zum Kläger kurzfristig zu beenden und hierdurch die betriebliche Altersversorgung kalkulierbarer und weniger risikobehaftet zu gestalten.
Dagegen können z. B. gesundheitliche Gründe des Arbeitnehmers eine Rolle spielen. In jedem Fall aber muss der Grundsatz der Gleichbehandlung Beachtung finden (selbst dann, wenn dem Arbeitgeber ein „freies Ermessen“ zusteht).
Das bedeutet in Kürze:
Kann der Arbeitgeber entscheiden , in welcher Form die Betriebsrente erbracht wird – Kapital oder Rente – muss er einen Rentenantrag regelmäßig nach billigem Ermessen und unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bescheiden.
Werden die Grundsätze der vorstehenden Rechtsprechung auf unseren aktuellen Fall übertragen, gilt Folgendes:
Der Arbeitgeber kann eine bisher in sein Ermessen gestellte Verrentung mit hoher Verzinsung nicht einfach in eine zwingend zu gewährende Verrentung mit niedriger Verzinsung umwandeln. Wurde die Versorgungsordnung entsprechend geändert, dann gilt für die Arbeitnehmer mit geschützten Anwartschaften, dass ihr Antrag auf die höhere Rente nach billigem Ermessen und unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes beschieden werden muss. Über den Antrag muss nach alter Sach- und Rechtslage und nicht nach neuer Sach- und Rechtslage entschieden werden.