01.06.2023 Arbeitsrecht, Arbeitsrecht aktuell, Dauerleihe - § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG (Asklepios & Co), Zeit-/Leiharbeit

Das Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 31.05.2023 - 5 ABR 133/19 - hat eine wegweisende Entscheidung zur Anwendung der Tarifverträge der Leiharbeit gefällt.

Nachdem das BAG zuvor den Europäischen Gerichtshof befragt hatte, kam es jetzt zu dem Ergebnis, dass die Anwendung der Tarifverträge zwischen dem DGB und BAP bzw. iGZ erlaubt sei. Nach Auffassung der Richter gleichen die Tarifverträge in ausreichender Weise die Nachteile aus, die durch die geringere Bezahlung entstehen. Das heißt: Leiharbeitnehmer dürfen nach Tarifvertrag schlechter bezahlt werden als vergleichbare Stammbeschäftigte.

Mit diesem Urteil zieht das BAG einen Schlussstrich unter jahrelange Diskussionen, die daraus resultierten, dass erst die Tarifverträge eine zumindest vorübergehende (deutliche) Schlechterbezahlung der Arbeitnehmer...

12.01.2023 Arbeitsrecht, Arbeitsrecht aktuell, Zeit-/Leiharbeit

"Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", so lautet die gesetzliche Vorgabe. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) regelt den Grundsatz, dass ein Leiharbeitnehmer von seinem Verleihunternehmen die gleichen Arbeitsbedingungen bekommen muss wie die fest angestellten Kollegen  beim Entleihunternehmen.

Dass diese Praxis kaum zur Anwendung kommt, liegt an einer weiteren gesetzlichen Vorschrift (§ 8 Abs. 2 AÜG), welche die Ausnahme zur Regel macht: Wendet das Verleihunternehmen für seine Leiharbeitnehmer Tarifverträge an, wird die Gleichstellung ersetzt. In diesem Fall entfällt der oben genannte Grundsatz. Was dazu führt, dass die meisten Leiharbeitnehmer dann doch deutlich weniger als die Festangestellten verdienen.

Nun hat der Europäische Gerichtshof - Urteil vom 15.12.2022 - C-311/21 diese deutsche Regelung mit...

07.07.2022 Arbeitsrecht, Arbeitsrecht aktuell

Aus aktuellem Anlass – wir bearbeiten gerade ein Mandat mit vergleichbarer Fallkonstellation – möchte ich Betroffene auf zwei wichtige Urteile des Bundesarbeitsgerichts zur betrieblichen Altersversorgung hinweisen.

1. Im ersten Fall geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber die Versorgungsregelung einer betrieblichen Altersversorgung verschlechtern darf.

Zu beachten ist – wie immer  – das sogenannte 3-Stufen-Modell sowie die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage: In seiner Entscheidung hat das BAG - Urteil vom 12.05.2020 – 3 AZR 157/19 klargestellt, dass die Änderung bilanzrechtlichen Bestimmungen keine Anpassung von Versorgungsregelungen wegen Störung der Geschäftsgrundlage rechtfertigen können. Der Arbeitgeber kann das Versorgungsniveau für bestehende Anwartschaften nicht mit der Begründung absenken, dass sich seine wirtschaftliche Lage aufgrund...

13.01.2022 Arbeitsrecht, Arbeitsrecht aktuell

Nicht geimpfte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Krankenhäusern, Praxen, Rettungsdiensten, Pflegeeinrichtungen usw. stellen sich die Frage, welche Auswirkungen § 20 a Infektionsschutzgesetz auf ihr Arbeitsverhältnis hat:

Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

1. Welche Verpflichtung besteht gegenüber dem Arbeitgeber?

Wer bereits vor dem 16. März 2022 in einer Arztpraxis oder einer anderen im Gesetz genannten Einrichtung tätig ist, muss dem Arbeitgeber bis zum Ablauf des 15. März 2022 Folgendes vorlegen:

  •     einen Impfnachweis im Sinne des § 2 Nummer 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung  oder
  •     einen Genesenennachweis im Sinne des § 2 Nummer 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassungoder
  •    ...
03.01.2022 Arbeitsrecht, Zeit-/Leiharbeit

Immer wieder stellt sich Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern die Frage, ob sie gezwungen werden können, einen Kundeneinsatz in der Ferne zu leisten und, falls ja, wie es sich dann mit den Fahrtkosten und Aufwendungsersatz verhält. Dazu das Wichtigste in Kürze:

Versetzung

In einem Leiharbeitsverhältnis ist der Arbeitsplatz typischerweise bei einem Kunden (= Entleiher). Das bedeutet, dass die Zuweisung eines neuen Entleihers wegen der Eigenart des Arbeitsverhältnisses streng genommen keine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG darstellt. So heißt es im Arbeitsvertrag zum Beispiel:

Die Arbeitsleistung wird im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung bei Kunden des Arbeitgebers erbracht. Der Arbeitnehmer kommt als Leiharbeitnehmer beim Entleiher zum Einsatz. Der Arbeitnehmer erklärt sich damit einverstanden, an     wechselnden Einsatzorten, auch außerhalb seines Wohnsitzes eingesetzt zu werden, ggf. im...

16.03.2021

Zunehmende Bedeutung erlangt in Wirtschaft und Arbeitswelt die Frage, ob bereits gegen das Coronavirus geimpfte Menschen sich bei Ansteckung eines Haushaltsmitglieds trotzdem zwei Wochen lang isolieren müssen.

Aktuell befinden sich zwei Eheleute vor Gericht, die gemeinsam als Allgemeinmediziner arbeiten und im Januar/Februar mit dem Biontech-Vakzin geimpft worden sind. Ihre Tochter war Anfang März positiv getestet worden. Sie selbst konnten kurz darauf drei negative Tests vorlegen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße  - Beschluss vom 15. März 2021 – 5 L 242/21.NW und 243/21.NW ergebe sich aus den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts, dass die Eheleute Ansteckungsverdächtigte im Sinne von § 2 Nr. 7 Infektionsschutzgesetz seien.

Sie müssten sich trotzdem zwei Wochen lang isolieren. Bisher lägen keine ausreichenden Belege dafür vor, dass Personen mit vollständigem Impfschutz nicht infektiös erkrankten. Deshalb habe der...

12.03.2021 Arbeitsrecht aktuell, Schein-Werkverträge

In einem bedeutsamen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 01.12.2020 - 9 AZR 102/20 entschieden, dass sog. Crowdworker unter bestimmten Voraussetzungen - trotz anderslautenden Vertrages - als Arbeitnehmer beschäftigt werden. Sie haben dann dieselben Rechte wie normale Arbeitnehmer und können sich zum Beispiel gegen unberechtigte Kündigungen zur Wehr setzen und womöglich Abfindungen erstreiten.

Der Kläger arbeitete zeitweise 15 bis 20 Wochenstunden für die beklagte Plattform und habe - so das BAG - "in arbeitnehmertypischer Weise weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit" geleistet. Zwar sei er vertraglich nicht zur Annahme von Angeboten der Internetplattform verpflichtet gewesen. Die Organisationsstruktur des Portals war aber so , dass die beauftragten Nutzer in immer gleicher Weise...

12.11.2020 Arbeitsrecht aktuell

Die Kurzarbeit ist leider zu einem Dauerzustand geworden, weshalb es bei der betrieblichen Altersversorgung (bAV) zu Fragen und Problemen kommen kann. Arbeitgeber geraten in finanzielle Engpässe und melden beim Tarifpartner oder beim Betriebsrat eine Anpassung hinsichtlich der Aufbringung der Beiträge an.

Bei der Beratung von Betriebsräten und Arbeitnehmern ist jeder Einzelfall gesondert zu betrachten: Die unterschiedlichen Versorgungszusagen/-ordnungen und Durchführungswege, die Art der Finanzierung und das Kleingedruckte der Versicherungsbedingungen beeinflussen die rechtliche Situation und damit die konkreten Handlungsoptionen.

Ungeachtet der Details ist es wichtig, einige Grundsätze zu kennen und zu beachten. Nachfolgend die wichtigsten Fragen und Antworten aus Arbeitnehmersicht:

 

1. Spezialregelung in der Versorgungsordnung?

Vor allem anderen ist zu prüfen, ob die Versorgungsordnung, die in Form eines...

12.06.2020 Arbeitsrecht, Zeit-/Leiharbeit

1. Was gilt, wenn das Einsatzunternehmen nicht tarifgebunden ist?

Wenn ein Einsatzunternehmen keine Tarifbindung hat – egal, ob das Unternehmen aus dem Arbeitgeberverband ganz ausgetreten ist oder eine sogenannte OT-Mitgliedschaft hat – gelten die Regelungen zu den Branchenzuschlägen in aller Regel trotzdem. Der Grund ist einfach: Der tarifliche Status des Einsatzunternehmens ist irrelevant. Entscheidend ist, dass fast alle Leiharbeitsunternehmen Mitglied in einem der Arbeitsgeberverbände BAP oder iGZ sind und/oder arbeitsvertraglich auf diese tariflichen Regelungen Bezug genommen wird. Trifft dies ausnahmsweise nicht zu, besteht sogar ein Anspruch auf Equal Pay.

 

2. Was versteht man unter „Einsatzzeiten“?

Maßgeblich ist die auf Grundlage eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages erfolgende Überlassung des Leiharbeitnehmers an sich und nicht die tatsächlich – möglicherweise nur...

12.06.2020 Arbeitsrecht, Zeit-/Leiharbeit

Beginnend ab 2012 wurden für diverse Branchen so genannte Branchenzuschläge für die Leiharbeitnehmer in diesen Bereichen vereinbart. In den Tarifverträgen zwischen den jeweiligen Einzelgewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden BAP und iGZ wurde die Lücke zwischen den Tarifentgelten in der Leiharbeit und den Einsatzbranchen verringert.

Diese Tarifverträge gelten für alle tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen von BAP und iGZ. Sie finden zudem Anwendung, wenn im Arbeitsvertrag auf die Tarifregelungen von BAP oder iGZ Bezug genommen wird.

Der Branchenzuschlag ist ein nach der Einsatzdauer gestaffelter Prozentsatz, der auf das jeweilige Stundenentgelt aufgeschlagen wird. Er ist zu zahlen, wenn ein Leiharbeitnehmer in einem Unternehmen dieser Branchen länger als sechs beziehungsweise vier Wochen (Tarifverträge ver.di) eingesetzt wird. Die Höhe der Zuschläge variiert dabei nach Branche, Einsatzdauer und Qualifikation.

In den Branchentarifverträgen können auch...

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