CGZP: Das Bundessozialgericht fordert eine präzise Aufarbeitung der Fälle

Das Bundessozialgericht - Urteil vom 16.12.2015 – B 12 R 11/14 R – hat eine wichtige Entscheidung zu den Beitragsnachforderungen in den sogenannten CGZP-Fällen getroffen. Allen Beteiligten - den Zeitarbeitsunternehmen, den Rentenversicherungsträgern, den anderen Sozialversicherungsträgern, den Sozialgerichten und auch den Arbeitnehmern - droht eine Menge  Arbeit in Form von Schriftverkehr, Terminen, Auskünften usw.

Was tun, wenn die Auskunft des Entleihers unvollständig ist?

Das Bundesarbeitsgericht BAG - Urteil vom 25.03.2015 - 5 AZR 368/13 hat in seiner jüngsten Entscheidung nochmals deutlich gemacht, welch hohe Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast bestehen, wenn der Anspruch auf Equal Pay mit Erfolg durchgesetzt werden soll. Dort heißt es unter Rz. 20:

BAG zu CGZP-Fall: Anspruch auf 30.000 Euro trotz Ausschlussfrist

 

Der Arbeitnehmer ist nicht gehalten, Ausschlussfristen aus unwirksamen Tarifverträgen der CGZP oder aus den nicht wirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogenen Tarifbestimmungen einzuhalten. Derartige “tarifliche” Ausschlussfristenregelungen sind auch nicht kraft Bezugnahme als Allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus aus einer Klausel im Arbeitsvertrag, die eine mögliche Kollision von arbeitsvertraglicher und tarifvertraglicher Ausschlussfrist regelt.

Zwei Anmerkungen zum CGZP-Urteil vom 13.03.2013 - 5 AZR 954/11

Im  Rahmen der CGZP-Verfahren  hat das BAG-Urteil vom 13. 3. 2013 - 5 AZR 954/11 entschieden, dass eine dreimonatige Ausschlussfrist die Ansprüche beseitige.  Nachfolgend zwei kurze Anmerkungen zum Urteil:

CGZP Urteile vom 13. März 2013: Kommentar von RA Holger Thieß

 

Der 5. Senat des BAG hält vertraglich vereinbarte Ausschlussfristen unter bestimmten Voraussetzungen für anwendbar. Ein Fehlurteil, das den findigsten und windigsten Verleihunternehmen nutzt und weiteren Streit vorprogrammiert.

Mit seiner Rechtsauffassung hat das Gericht den Arbeitgebern denjenigen Vertrauensschutz zugesprochen, den es doch angeblich vorenthalten wollte. Vertrauensschutz durch die Hintertür. Oder: "Gerechtigkeit auf halber Strecke", wie es Eva Völpel in der taz formuliert.

Einzig richtig und konsequent wäre es gewesen, den Arbeitgebern die Berufung auf Ausschlussfristen im Anschluss an die unzulässige Einbeziehung des nichtigen CGZP-Tarifs nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu versagen. Und zwar ausnahmslos. Dies hätte den gesetzlich zwingenden Schutz für die Arbeitnehmer hergestellt  und wäre zugleich die angemessene Sanktion für die Verleihunternehmen gewesen. Und es hätte nebenbei die Klärung vieler offener Rechtsstreite herbeigeführt.

Eine weitere Klagewelle wird ausbleiben. In den laufenden Verfahren indes wartet noch viel Arbeit: Praktisch jeder Fall ist – was die Ausschlussfristen angeht – ein wenig anders gelagert. Eine Vielzahl weiterer BAG-Urteile ist zu erwarten. Klarheit wird es erst geben, wenn auch die letzten Ansprüche verjährt sind.

Und so werden sich viele Verleihunternehmen freuen, wie gut sie mit ihren Tricks und Kniffen gefahren sind. Auch dank der Rechtsauffassung des 5. Senats.

CGZP-Urteile vom 13. März: Die wichtigsten Fragen und Antworten

 

Am 13.03.2013 hat das Bundesarbeitsgericht eine Reihe von CGZP-Urteilen der Landesarbeitsgerichte auf den Prüfstand gestellt. Ein Teil der Fragen wurden zugunsten der Arbeitnehmer beantwortet, ein Teil zu Gunsten der Arbeitgeber, ein Teil bleibt offen:

1. Kann sich ein Verleihunternehmen auf Vertrauensschutz bis zum 14.12.2010 berufen?

Nein, der gute Glaube an die Wirksamkeit nichtiger Tarifverträge wird nicht geschützt. Positiv für die Arbeitnehmer.

2. Ist die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den mehrgliedrigen CGB-Tarifvertrag intransparent und damit auch unwirksam?

Ja, die typischerweise verwendeten Klauseln sind gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent und deshalb unwirksam. Die Umstellung der Arbeitsverträge im Jahre 2010 hat den Arbeitgebern nichts gebracht.Positiv für die Arbeitnehmer.

3. Kann sich das Verleihunternehmen auf Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag bzw. im Tarifvertrag berufen?

Eine Berufung auf die Ausschlussfrist ist dem Verleihunternehmen grundsätzlich nur dann möglich, wenn eine Frist von mindestens drei Monaten vereinbart worden ist, und zwar – wie das BAG betont - „wirksam“ vereinbart worden ist. Ausschlussfristen von weniger als drei Monaten sind generell unwirksam. Ob und ggf. unter welchen Umständen eine Frist von drei Monaten „wirksam“ vereinbart worden ist, bleibt noch im Dunkeln. Einen ersten Hinweis wird die schriftliche Urteilsbegründung geben, weiterer Streit ist vorprogrammiert.

4. Wann begannen die Fristen für Ausschlussfristen zu laufen?

Die Fälligkeit tritt so ein, wie es im Arbeitsvertrag vereinbart ist (zum Beispiel zum 20. des Folgemonats). Der Tag der BAG-Entscheidung vom 14.12.2010 hat für die Fälligkeit der Vergütung und damit für den Beginn des Laufs der Ausschlussfrist keine Bedeutung. Positiv für die Arbeitgeber.

5. Wie ist es bei der Verjährung?

Wie bei der Ausschlussfrist. D. h. die Verjährungsfrist beginnt unabhängig von der rechtlichen Beurteilung der Tariffähigkeit der CGZP. Damit verjähren Nachzahlungsansprüche aus  2010 am 31.12.2013. Ansprüche vor dem Jahre 2010 sind bereits verjährt, wenn noch keine Klage erhoben worden ist. Positiv für die Arbeitgeber.

6. Wie wird die Entgeltdifferenz berechnet?

Der Entgeltanspruch besteht während der Dauer der Überlassung an ein entleihendes Unternehmen. Es ist ein sogenannter „Gesamtvergleich“ aller Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen. Der geleistete Aufwendungsersatz (z. B. Fahrtkostenerstattung oder Verpflegungsmehraufwand) bleibt dabei jedoch außer Betracht, weil er nicht zum Entgelt im engeren Sinne gehört.

7. Welche Fragen bleiben offen?

Das BAG hat mit seiner Entscheidung leider nicht die gewünschte Klarheit geschaffen. Viele  Fragen rund um die Wirksamkeit und Anwendbarkeit von Ausschlussfristen bleiben offen, zum Beispiel:

  • Wie ist der Fall zu behandeln, dass der Arbeitsvertrag den gleichen Wortlaut wie der unwirksame Tarifvertrag enthält?
  • Wie verhält es sich mit Ausschlussfristen, die nachträglich vereinbart worden sind und dadurch (wie ein Verzicht) zurückwirken?
  • Wie wirkt sich eine spätere Umstellung auf den DGB-Tarifvertrag aus?
  • Besteht die Möglichkeit, Schadensersatz wegen der Einbeziehung unwirksamer Tarifverträge (Verstoß gegen Nachweisgesetz) zu verlangen?

 

Diese und viele andere Fragen wird das BAG in den kommenden Monaten beantworten müssen. Es sei denn - und dies scheint nach bisheriger Erfahrung am wahrscheinlichsten - es kommt zu Prozessvergleichen, in denen die Arbeitnehmer auf viel Geld verzichten.

Lies auch Kommentar zu den BAG-Urteilen vom 13.03.2013

CGZP-Prozesse: Welche Entscheidungen trifft das BAG am 13. März?

 

In seinem Blog hat der Kollege RA Alexander Bissels dankenswerter Weise zusammen gestellt, welche Fragen das BAG bei seinen Entscheidungen am 13. März beantworten wird. Nach seiner Einschätzung wird das BAG in den Verfahren 5 AZR 954/11, 5 AZR 242/12, 5 AZR 242/12,  5 AZR 294/12, 5 AZR 424/12 zu folgenden Fragen Stellung nehmen:

 

1. Ist ein equal pay-Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG wegen der nur gegenwartsbezogenen Feststellung der Tarifunfähigkeit durch das BAG am 14.12.2010 nach wie vor auszusetzen (so LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11)?

2. Kann sich der Personaldienstleister auf einen Vertrauensschutz bis zum 14.12.2010 berufen (ablehnend: LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11; LAG Hamm v. 25.01.2012 – 3 Sa 1544/11)?

3. Ist die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den mehrgliedrigen CGB-Tarifvertrag intransparent und damit unwirksam (zustimmend: LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11; a.A. LAG Düsseldorf v. 08.12.2011 – 11 Sa 852/11)?

4. Kann sich der Personaldienstleister auf die in einem unwirksamen Tarifvertrag vorgesehenen und arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Ausschlussfristen berufen (zustimmend: LAG Düsseldorf v. 08.12.2011 – 11 Sa 852/11; einschränkend: LAG Hamm v. v. 25.01.2012 – 3 Sa 1544/11)?

5. Können arbeitsvertraglich vereinbarte längere Verfallfristen einem equal pay-Anspruch entgegenstehen, selbst wenn in dem in Bezug genommenen Tarifvertrag (kürzere) Ausschlussfristen vorgesehen sind (zustimmend: LAG Sachsen v. 23.08.2011 – 1 Sa 322/11; a.A. LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11)?

 6. Wann beginnen die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen zu laufen? Erst am 14.12.2010 (so LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11), mit der Fälligkeit des jeweiligen Entgeltanspruchs (so LAG Sachsen v. 23.08.2011 – 1 Sa 322/11) oder spätestens am 07.12.2009 (so LAG Düsseldorf v. 08.12.2011 – 11 Sa 852/11)?

7. Mindern vom Personaldienstleister gewährte Aufwandsentschädigungen und erstattete Fahrtkosten den equal pay-Anspruch (ablehnend: LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11; a.A. LAG Hamm v. 25.01.2012 – 3 Sa 1544/11)?

8. Wird die Verjährung wegen der bis zum 14.12.2010 bestehenden Rechtsunsicherheit zur Tarifunfähigkeit der CGZP gehemmt (ablehnend: LAG Hamm v. 21.03.2012 – 3 Sa 1526/11)?

 

Lassen wir uns überraschen...

 

 

CGZP-Prozesse: Renitente Verleihunternehmen, findige Juristen, lustlose Arbeitsgerichte

 

Die Sache schien im Dezember 2010 klar zu sein. Nachdem das BAG die CGZP-Tarifverträge für unwirksam erklärt hatte, sollten die Nachzahlungen reine Formsache sein. Es ist anders gekommen: Die Umsetzung der CGZP- Entscheidung hat sich als Flop erwiesen.

 

Renitente Verleihunternehmen, findige Juristen, lustlose Arbeitsgerichte

Freiwillige Nachberechnungen sind erwartungsgemäß ausgeblieben, die Arbeitsagentur hat die Einhaltung des Gesetzes nicht kontrolliert, von ca. 300.000 Betroffenen haben gerade mal 1.500 geklagt. Und wer klagt, muss sich mit renitenten Verleihunternehmen, findigen Juristen und lustlosen Arbeitsgerichten herumschlagen.

Verschleppte Prozesse, Fehlurteile, wenige Erfolge

Jenseits aller juristischen Details ist es wirklich erstaunlich: Rechtliche Spitzfindigkeiten (Verzichtklauseln, Ausschlussfristen, unübersichtliche Änderungsverträge) und prozessuale Kniffe (Aussetzung, Nichtherausgabe von Lohnunterlagen, Bestreiten von geleisteten Stunden usw.) führten zu verschleppten Prozessen, zu katastophalen Fehlurteilen oder zu schlechten Vergleichen. Es sind bisher nur eine Handvoll Urteile bekannt geworden, in denen Leiharbeitnehmer gesiegt haben.

Neue Hoffnung durch BAG-Urteile am 13. März?

Alle Leiharbeitnehmer, die noch nicht von Arbeitgebern und Arbeitsgerichten weichgekocht worden sind, setzen ihre Hoffnung auf das BAG. Das höchste Gericht muss endlich klarstellen, dass sich die Arbeitgeber nicht auf den Verfall von Ansprüchen berufen dürfen und dass der Verleiher mit der einer Blockadehaltung prozessual keinen Erfolg haben darf.

Zu erwarten sind Urteile, die den Weg für die Nachzahlungsansprüche weisen und die zeitliche Grenze festlegen, bis wann Ansprüche noch mit Erfolg durchgesetzt werden können. Vielleicht kommt dann ja doch noch die nicht mehr erwartete Klagewelle ....

Arbeitgeber dürfen CGZP-Tarifverträge nicht einseitig ersetzen

 

Die arbeitsvertraglich vereinbarte Befugnis des Arbeitgebers, den geltenden Tarifvertrag einseitig zu ersetzen, benachteiligt die Beschäftigten unangemessen und ist daher unwirksam - LAG Niedersachsen - Urteil vom 21.09.2012 - 6 Sa 112/12.

 

Die Leitsätze lauten:

1. Die arbeitsvertraglich vereinbarte einseitige Ersetzungsbefugnis des Arbeitgebers im Hinblick auf den im Arbeitsverhältnis maßgeblichen Tarifvertrag benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

2. Setzt der Entleiher im Aufgabengebiet des Leiharbeitnehmers keine eigenen Stammkräfte, sondern ausschließlich Leiharbeitnehmer ein, folgt aus § 10 Abs. 4 AÜG bei richtlinienkonformer Auslegung, dass der Leiharbeitnehmer dann die Vergütung beanspruchen kann, die für ihn maßgeblich wäre, wenn er vom Entleiher für die gleiche Aufgabe eingestellt worden wäre.

3. Die einzelvertragliche Bezugnahme auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag verstößt gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist unwirksam.

 

Der Arbeitsvertrag des Verleihers nahm Bezug auf CGZP-Tarifverträge und enthielt eine einseitige Ersetzungsbefugnis. Nach der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der CGZP-Tarifverträge erklärte die Firma mit Bezug auf diese Befugnis, dass nun die Tarifverträge BZA/DGB gelten sollen. Das LAG Niedersachsen stellte die rechtliche Unwirksamkeit der Ersetzungsklausel gemäß § 308 Nr. 4 BGB Link fest. Grund hierfür ist eine unangemessene Benachteiligung der Beschäftigten.

Im Ergebnis haben die betroffenen Arbeitnehmer nach § 10 Abs. 4 Arbeitsüberlassungsgesetz (AÜG)Externer Link Anspruch auf das gleiche Entgelt (equal pay) wie die Stammarbeitnehmer der Entleihfirma.

 

LAG Hamburg - Urteil vom 31.05.2012 - 8 Sa 21/12

Ausgleichsquittung von Fiege uni/serv unwirksam:

Die 8. Kammer des LAG Hamburg - Urteil vom 31.05.2012 - 8 Sa 21/12 spricht unserer Mandantin eine Nachzahlung in Höhe von über 22.000,- Euro zu, die auf Grundlage der nichtigen CGZP-Tarifverträge gearbeitet hatte.

Das Besondere an dem Urteil: Folgende Ausgleichsquittung im Aufhebungsvertrag, den die Arbeitgeberin  Fiege uni/serv GmbH & Co. KG vorgegeben hatte, wurde für unwirksam erklärt:

 

1.  Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis einvemehmlich mit Ablauf des 31.08 2009 beendet worden, ist/enden wird. Der/Die Mitarbeiter/in wurde vom Fiege uni/serv auf die möglichen sozialversicherungsrechtlichen Nachteile hingewiesen.

2. Dem/Der Mitarbeiter/in wird während einer evtl. Arbeitsfreistellung der ausstehende Resturlaub gewährt („Urlaub ist gewährt und genommen").

3. Dem Mitarbeiter wird während einer evtl. Arbeitsfreistellung das angesparte Arbeitszeitkonto gewährt („Arbeitszeitkonto ist gewährt und genommen").

4. Zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche ist der/die Mitarbeiter/in verpflichtet, sich unverzüglich nach Abschluss dieser Vereinbarung beim Arbeitsamt zu melden. Weiter ist er/sie verpflichtet,aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.

§ 5  Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit der Erfüllung des vorstehenden Vergleiches keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mehr - gleich aus welchem Rechtsgrund bestehen.

Hamburg, 31.08.2009
 

Nachfolgend die Entscheidungsgründe im Volltext:

Die zulässige Berufung ist begründet.

I. Die Klage ist zulässig.

Dass mit der Klage und Berufung verwendeten Bezeichnung „Fiege uni/serv GmbH & Co KG" die„Fiege uni/serv GmbH" gemeint ist, ergibt sich zweifelsfrei aus der Umwandlung, durch welche die GmbH in alle Rechte und Pflichten der KG eingetreten ist. Die Beklagte hat sich im Übrigen in erster Instanz auf die erst am 30.12.2010 erhobene Klage rügelos eingelassen, obwohl die KG bereits im Zeitpunkt der Klagerhebung nicht mehr existierte.

II. Die Klage ist auch begründet.

1. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 10 IV 1 AÜG.

a) Die von der Klägerin unter Berücksichtigung von der Beklagten fürden streitigen Zeitraum geltend gemachte Vergütung entspricht den
Arbeitsbedingungen der Entleiherin. Dies ergibt sich aus der Auskunft der Entleiherin (Anl. K3, Bl. 81 d.A.), dem Manteltarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel und den von der Klägerin vorgelegten Entgeltabrechnungen der Beklagten. Die Beklagte hat Entstehung und Höhe der Forderung auch nicht in Abrede gestellt.

b) Der Zahlungsanspruch ist nicht gemäß §10 IV 2 AÜG ausgeschlossen, denn auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kein
Tarifvertrag Anwendung. Zwar haben die Parteiein in § 1 ihres Arbeitsvertrags die zwischen AMG und CGZP vereinbarten Tarif
verträge umfassend in Bezug genommen. Diese Tarifverträge sind jedoch - unabhängig vom Zeitpunkt ihres Abschlusses - unwirksam.
Dies steht fest, nachdem das BAG mit Beschluss vom 22.05.2012 (1 ABN 27/12) die Beschwerde gegen die Nichtzulassung im Urteil
- LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2012 (24TaBV 1285/11) zurückgewiesen hat.

2. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht gemäß § 15 des Arbeitsvertrags der Parteien verfallen.

Zwar ist die Vereinbarung von Ausschlussfristen in Formulararbeitsverträgen weder überraschend noch ungewöhnlich. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer jedoch unangemessen, wenn die einzelnen Stufen nicht jeweils mindestens drei Monate betragen (vgl. BAG v. 12.03.2008 - 10 AZR 152/07 - Tz 19).
So liegt der Fall hier. Die Frist für die erste Stufe der Ausschlussfrist beträgt nach § 15 I des Arbeitsvertrags nur 2 Monate. Damit ist die
gesamte Ausschlussregelung unwirksam, ohne dass es darauf ankommt, dass auch die 2. Stufe (mit nur einem Monat) einer
Inhaltskontrolle nicht standhalten würde.

3. Die Ansprüche der Klägerin sind auch nicht gemäß § 5 des Aufhebungsvertrags der Parteien untergegangen. Die Berufungskammer
vermag der entgegenstehenden Auffassung des Arbeitsgerichts nicht zu folgen.

a) Welche Rechtsqualität und welchen Umfang die in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte Ausgleichsklausel hat, ist nach den
Regeln der §§ 133,157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Als rechtstechnische Mittel für den Willen der Parteien, ihre Rechts
beziehung zu bereinigen, kommen insbesondere der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische Schuldanerkenntnis in
Betracht.

Ein Erlassvertrag (§ 397 I BGB) ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld aus
gehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Ein konstitutives Schuldanerkenntnis i.S.v. § 397 II BGB
liegt vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten
Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen. Ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis ist anzunehmen, wenn die Parteien
nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen Maßgeblich ist das Verständnis eines
redlichen Erklärungsempfängers. Dieser ist nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkenn
baren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat. Zu berücksichtigen ist ferner der Grundsatz
der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (BAG v. 07.11.2007 - 5 AZR 880/06 - Tz 17 m.w.N.).

An die Feststellung eines Verzichtswillens sind hohe Anforderungen zu stellen. Selbst bei eindeutig erscheinender Erklärung des Gläubigers darf ein
Verzicht nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind. Wenn feststeht, dass eine Forderung ent standen ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben.

Dem steht die Annahme nicht entgegen, eine Ausgleichsquittung sei im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen, denn
das betrifft den Umfang der Ausgleichsklausel, wenn die Rechtsqualität dem Grunde nach geklärt ist (BAG v. 07.11.2007 - 5 AZR 880/06-Tz22).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze spricht nach Auffassung derKammer mehr dafür, § 5 des Arbeitsvertrags als deklaratorisches
(negatives) Schuldanerkenntnis zu verstehen und nicht als konstitutives Schuldanerkenntnis. Die Formulierung: „Die Parteien sind sich
darüber einig, dass ... keine Ansprüche ... mehr... bestehen" spricht eher für eine Beschreibung der bestehenden Rechtslage. Jedenfalls
fehlen Anhaltspunkte für den Willen, gestaltend auf die Rechtslage einzuwirken. Auch die Formulierung: „gleich aus welchem Rechts
grund" trägt eine so weitgehende Folgerung nicht. Sie bezieht sich allenfalls auf die Beendigung selbst und auf die in den §§ 2 und 3
des Vertrags geregelten Fragen des Urlaubs und des Arbeitszeitkontos, nicht jedoch auf Ansprüche, von deren Existenz jedenfalls die
Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht ausgegangen ist.

Aus der von der Beklagten angeführten Entscheidung des LAG Thüringen vom 17.04.2012 (1 Sa 253/11) ergeben sich keine
Anhaltspunkte, die gegen die Auslegung der Kammer sprechen. Das LAG Thüringen hat § 5 des dortigen Arbeitsvertrags zwar eindeutig
als konstitutives Schuldanerkenntnis ausgelegt, seine Auslegung aber nicht im Einzelnen begründet. Die Ausführungen beziehen sich
ausschließlich auf die Frage der Intransparenz der Klausel i.S.v. § 307 I 2 BGB.

4. Auch wenn man die Auslegung des Arbeitsgerichts, die maßgeblich auf die Formulierung „gleich aus welchem Rechtsgrund" abstellt,
für ebenso vertretbar hält, wie die gegenteilige Auslegung der Berufungskammer, käme nach § 305 c II BGB im Zweifel die für den
Verwender ungünstigere Auslegung zu Anwendung.

Dass es sich bei dem Aufhebungsvertrag um vorformulierte Vertragsbedingungen der Beklagten handelt, ist zwischen den Parteien unstreitig.

5. Würde man der Auslegung von § 5 des Arbeitsvertrags durch das Arbeitsgericht folgen und die von der Kammer vertretene gegentei
lige Auslegung nicht ernsthaft in Betracht ziehen, so dass § 305 c II BGB nicht zur Anwendung käme, wäre die Klage gleichwohl begrün
det. § 5 des Arbeitsvertrags wäre in dieser Auslegung jedenfalls gemäß § 307 II Nr. 1 BGB und § 307 I 1 BGB unwirksam, weil die
Klägerin durch die Klausel unangemessen benachteiligt würde.

a) Ausgleichsklauseln in Aufhebungsverträgen unterliegen der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff BGB. Hauptleistungen eines Aufhe
bungsvertrags, die keiner Inhaltskontrolle unterliegen, sind lediglich das Einverständnis des Arbeitnehmers mit der Beendigung und eine
evtl. dafür gewährte Abfindung. Ausgleichsklauseln sind als Teil des Aufhebungsvertrags nicht Haupt- sondern Nebenabrede und deshalb
nicht kontrollfrei (vgl. BAG v. 21.06.2011 - 9 AZR 203/10 - Tz 40f).

b) § 5 des Arbeitsvertrags der Parteien in der Auslegung des Arbeitsgerichts stellt eine von dispositivem Recht abweichende Regelung
dar. Nach § 10 IV 1 AÜG sollen Leiharbeitnehmern grundsätzlich die gleichen Arbeitsbedingungen gewährt werden wie vergleichbaren
Arbeitnehmern des Entleihers. Eine Ausnahme lässt § 10 IV 2 AÜG nur zu, wenn die Arbeitsbedingungen beim Verleiher durch einen
Tarifvertrag geregelt sind. Diese Ausnahme lag hier nicht vor, weil der in Bezug genommene Tarifvertrag unwirksam war. Die
Vereinbarung eines unwirksamen Tarifvertrags steht dem Fehlen einer tarifvertraglichen Regelung in § 10 IV 2 AÜG gleich.

c) Unabhängig davon benachteiligt § 5 die Klägerin unangemessen.

Der - nach der Auslegung des Arbeitsgerichts anzunehmende - konstitutive Verzicht auf Ansprüche jeglicher Art trifft zwar - anders
als in dem der Entscheidung des BAG vom 21.06.2011 (a.a.O.) zugrunde liegenden Fall beide Parteien. Für die Arbeitnehmerin wäre
der Verzicht jedoch ungleich folgenschwerer, weil sie ohne jede Gegenleistung auf gesetzliche Ansprüche in erheblicher Höhe
verzichten würde. Die (unstreitige) Interessen läge bei Abschluss des Aufhebungsvertrags, in der auch die Klägerin ein Interesse an einer
vorfristigen Aufhebung des Arbeitsvertrags hatte, mag den Verzicht auf eine Abfindung, welcher ohnehin keiner Vertragskontrolle
unterliegt, angemessen erscheinen lassen. Schon die in den §§ 2 und 3 des Aufhebungsvertrags getroffenen Regelungen werfen
Zweifel an der Angemessenheit der Vereinbarung auf. Da der vereinbarte Beendigungszeitpunkt mit dem Tag der Aufhebungsver
einbarung übereinstimmt, ist die in § 2 vereinbarte Arbeitsfreistellung zur Abgeltung der Resturlaubsansprüche offensichtlich fiktiv. Eine
Freistellung konnte weder zur Erfüllung von Urlaubsansprüchen noch zum Ausgleich von Zeitguthaben erfolgen. Hinsichtlich der Urlaubs
ansprüche spricht Vieles für einen Verstoß gegen § 13 BUrlG. Auch nicht ansatzweise erkennbar ist, weshalb die Klägerin ohne jegliche
Gegenleistung auf weitere, ihr nach dem Gesetz zustehende Ansprüche in erheblicher Höhe verzichten sollte.

Die Klausel berücksichtigt insoweit - trotz formaler Beidseitigkeit - einseitig die Interessen der Beklagten.

III. Der Zinsanspruch ergibt sich - für die Zeiträume, für die Zinsen beantragt worden sind - aus §§ 288, 286 BGB.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 91 I ZPO.

V. Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.

Die Berufungskammer folgt der einschlägigen höchstrichterlichen Recht sprechung. Die rechtlichen Erwägungen, auf denen das Urteil beruht, haben keine grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 72 II Nr. 1 ArbGG. Eine Divergenz zu der Entscheidung des LAG Thüringen vom 17.04.2012 (1 Sa 253/11) besteht nicht.

Das LAG Thüringen ist zwar bei der Auslegung einer Vertragsklausel, welche mit derjenigen des vorliegenden Verfahrens wörtlich übereinstimmt, zu einem anderen Ergebnis gelangt als die Kammer. Die Auslegung der Kammer beruht jedoch auf der Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles. Das LAG Thüringen hat sich hingegen auf die Prüfung der Intransparenz der dort verwendeten Klausel beschränkt und im Übrigen - zur Auslegung - keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt.

 

 

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